Bonn, Juni 2023
Hintergrund:
Die EU-Kommission hat am 22. März 2023 den Richtlinienentwurf zur Bekämpfung irreführender umweltbezogener Werbeaussagen veröffentlicht. Mit dem Vorschlag sollen Verbraucher*innen vor Greenwashing und irreführenden Umweltaussagen („Green Claims“) geschützt werden. Zugleich sollen tatsächlich engagierten Händlern gleiche und faire Ausgangsbedingungen ermöglicht werden, um sich im Wettbewerb für nachhaltige Produkte zu positionieren. Als umweltbezogene Werbeaussage definiert die Kommission jede freiwillige Aussage oder Darstellung, einschließlich Text, bildlicher und symbolischer Darstellungen, Marken- und Firmen- oder Produktnamen, im Rahmen einer kommerziellen Kommunikation, mit der suggeriert wird, dass ein Produkt positive oder keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt hat bzw. weniger umweltschädlich ist als andere Produkte. Zur Begründung ihres Vorschlags bezieht sich die KOM auf eine von ihr in Auftrag gegebene Studie aus dem Jahr 2020, wonach 53 % der damals überprüften Umweltaussagen vage, irreführend oder nicht fundiert und 40 % nicht belegt gewesen seien.
Inhalt:
Der Entwurf schlägt umfangreiche Anforderungen an freiwillige, umweltbezogene Werbeaussagen vor, darunter:
- Der Nachweis, dass die Umweltauswirkungen aus der Produktlebenszyklusperspektive erheblich sind.
- Die Trennung von Reduktion und Kompensation von entstehenden Treibhausgasen sowie Bereitstellung spezifischer Informationen über die Kompensationen.
- Die Berücksichtigung negativer Umweltauswirkungen, die durch die positiven Veränderungen als Sekundäreffekte entstehen können (bspw. höherer CO2-Ausstoß durch stärkere Mechanisierung aufgrund eines Verzichts auf Pflanzenschutzmittel).
- Die Angabe darüber, ob das Produkt eine deutlich bessere Umweltauswirkung aufweist als die gängige Praxis.
Informationen über die Umweltauswirkungen müssten in physischer oder digitaler Form über entsprechende Links auf dem Produkt bereitgestellt werden. Unklar bleibt im Vorschlag wo auf der Verpackung diese Hinweise angebracht werden müssen. Auch an die bereitzustellenden Informationen werden Anforderungen gestellt. Die zu übermittelnden Informationen müssen mindestens folgende Punkte umfassen:
- Umweltaspekte, auf die sich die Angabe bezieht.
- Einschlägige EU-Normen oder internationale Normen.
- Zugrundeliegende Studien oder Berechnung, die zur Bewertung der Umweltauswirkungen verwendet werden (Ausnahmen für Geschäftsgeheimnisse).
- Erläuterungen, wie Verbesserungen konkret erzielt werden.
- Konformitätsbescheinigung über den Nachweis der Behauptung und die Kontaktinformationen des Prüfers.
- Eine für Verbraucher*innen verständliche Zusammenfassung der aufgeführten Informationen und Bewertungen in mindestens einer der Amtssprachen des Mitgliedstaats.
Darüber hinaus werden weitere Anforderungen für vergleichende Aussagen gemacht. Die Kommission schränkt auch die Einführung neuer Zertifizierungen ein. So müssen neue Systeme von den Mitgliedsstaaten bzw. der KOM genehmigt werden und einen Mehrwehrt zu bestehenden aufzeigen. Auch für die Prüfstellen der Zertifizierungen werden Anforderungen gestellt.
Position des Fair and Green e. V.:
Als Träger der Nachhaltigkeitszertifizierung FAIR’N GREEN unterstützt der Fair and Green e. V. das Ziel der EU-Kommission Greenwashing zu bekämpfen und damit insgesamt die Glaubwürdigkeit von umweltbezogenen Aussagen zu verbessern. Umweltaussagen ohne hinreichende Grundlagen konterkarieren die Bemühungen von wissenschaftsbasierten Systemen, die echte, positive Veränderungen hervorbringen und treffen dadurch auch die Mitglieder des Fair and Green e. V. Der Vorschlag der Kommission weist allerdings einige Hürden für die Umsetzung auf, die wir im Folgenden erläutern:
- Race to the bottom: Aufgrund der geplanten Richtlinie sind in der EU 27 unterschiedliche nationale Umsetzungen zu erwarten. Es besteht die Gefahr, dass die Anforderungen an Umweltaussagen sowie deren Begründung und Informationsbereitstellung nicht über alle Staaten im gleichen Maße anspruchsvoll formuliert werden, sodass ein Wettbewerb um den niedrigsten Standard zu erwarten ist. In der Folge könnten Zertifikatgeber die Anerkennung in einem Staat mit besonders niedrigen Anforderungen beantragen und europaweit zugelassen werden. Die Kommission muss sicherstellen, dass ein hoher Standard europaweit durchgesetzt wird, um das angestrebte Ziel zu erreichen und die Bemühungen von anspruchsvollen Systemen nicht zu untergraben.
- Vorschlag lässt Nachhaltigkeitsaspekte aus: Der Vorschlag bezieht sich nur auf Umweltaussagen. Unklar bleibt, wie mit Aussagen zum Thema Nachhaltigkeit umgegangen wird. Umweltaspekte sind zwar ein Teil von Nachhaltigkeit, dazu gehören aber zusätzlich auch soziale und ökonomische Aspekte. Produkte, die eine bessere Umweltauswirkung aber dafür schlechtere soziale Auswirkungen haben, werden durch den aktuellen Vorschlag nicht abgedeckt, wodurch ein grundsätzlicher Wandel hin zu einer ganzheitlich nachhaltigen Produktion gefährdet wird.
- Zu viele, unübersichtliche Informationen: Der Lebens- und Genussmittelsektor ist wie kein anderer gekennzeichnet von diversen Siegeln und verpflichtenden Angaben. Ab Dezember 2023 werden auf Weinflaschen beispielsweise Angaben zu Nährwerten und Zutaten verpflichtend. Zusammen mit den bestehenden Siegeln entsteht somit ein für Verbraucher*innen unübersichtliches Informationsgemenge. Hier muss eine sinnvolle Zusammenlegung von fakultativen und obligatorischen Angaben ermöglicht werden, beispielsweise über ein durch QR-Code erreichbares Contextmenü mit Links zu Inhaltsangaben, Begründung der Umweltaussagen und weiteren Informationen zu den Siegeln. Aktuell ist dies rechtlich nicht vorgesehen. Für eine praxisnahe Umsetzung ist eine stärkere Betrachtung der einzelnen betroffenen Sektoren und deren Charakteristika zwingend notwendig.
Die nächsten Schritte:
Im Gesetzgebungsverfahren haben nach dem Vorschlag der Richtlinie durch die EU-Kommission zunächst das EU-Parlament und danach der EU-Rat die Möglichkeit Änderungen einzubringen. Nach der Einigung und folgenden Veröffentlichung des EU-Rahmengesetzes haben die Mitgliedsstaaten 18 Monate Zeit, um nationale Gesetze zu verabschieden, die sechs Monate später in Kraft treten sollen. Mit einem Inkrafttreten in Deutschland wäre also nicht vor Ende 2025 zu rechnen.
Der Vorschlag zur Bekämpfung irreführender, umweltbezogener Werbeaussagen der EU-Kommission macht einen ersten richtigen Schritt zur Bekämpfung von Greenwashing und zum Schutz begründeter Initiativen im Bereich Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Essenziell für eine erfolgreiche Zielerreichung ist die Sicherstellung einer ausreichend fundierten Bewertung der Begründung von Umweltaussagen, damit sich Zertifizierungssysteme nicht in einem Wettbewerb immer niedrigerer Ansprüche gegenseitig unterbieten. Der Fair and Green e. V. appelliert an die politischen Entscheidungsträger sich für eine praxisnahe, konsistente Ausgestaltung des Vorschlags einzusetzen und die oben genannten Punkte zu berücksichtigen.
Das vollständige Positionspapier finden Sie hier zum Download als PDF
Über Fair and Green e. V.
Der Fair and Green e. V. setzt sich seit 2013 für eine ganzheitlich nachhaltige Weinwirtschaft ein und vereint über 130 Unternehmen aus 9 Ländern, darunter Weingüter, Fachhandel und Wertschöpfungspartner. Er ist Träger der Nachhaltigkeitszertifizierung FAIR’N GREEN.
Kontakt:
Lukas Müller
Referent Verband & Politik
Tel.: +49 (0) 228 / 76 37 85 09
Mail: lukas.mueller[at]fairandgreen.com
www.fairandgreen.de