FAIR'N GREEN Nachhaltigkeitstage 2024
Am 14. November hat der Verband für nachhaltigen Weinbau, Fair and Green e. V., zu den FAIR’N GREEN Nachhaltigkeitstagen in der Weinmanufaktur Stuttgart eingeladen. Bei diesem Fachsymposium trafen sich nachhaltige Weinbaubetriebe, Fachhändler, Wertschöpfungspartner sowie weitere Akteure der Branche, um die aktuellsten Fragen rund um den nachhaltigen Weinbau zu diskutieren. Insgesamt kamen fast 100 Gäste zusammen, um den ersten FAIR’N GREEN beizuwohnen.
Welche Herausforderungen erwarten den nachhaltigen Weinbau der Zukunft? Wie können Weingüter wirtschaftlich erfolgreich bleiben, auch in einem angespannten Umfeld? Und wie lässt sich Nachhaltigkeit gezielt als Erfolgsfaktor nutzen? In spannenden Fachvorträgen und Diskussionen wurde diese Aspekte erläutert. Im Anschluss erwartete die Teilnehmenden eine Führung durch die Weinmanufaktur Stuttgart, ein traditionelles schwäbisches Buffet und eine Bottle-Party mit nachhaltig produzierten FAIR’N GREEN Weinen.
Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor: Wirtschaftlichkeit, Marketing und neue Absatzmärkte
Nach der Eröffnung der Nachhaltigkeitstage durch Dr. Keith Ulrich (Vorstandsvorsitzender Fair and Green e. V.) begrüßten Saskia Wörthwein (Geschäftsführerin Weinmanufaktur Stuttgart) und Moritz Warth (Vorstandsmitglied Weinmanufaktur Stuttgart) als Gastgeber das Fachpublikum. Wörthwein sagte, wie sehr sich die Weinmanufaktur Stuttgart freue, die ersten FAIR’N GREEN Nachhaltigkeitstage in ihren Räumlichkeiten ausrichten zu dürfen. Sie führte außerdem aus, dass die Weinmanufaktur seit 2018 FAIR’N GREEN zertifiziert ist und ihrer Meinung nach gerade Genossenschaften ein gutes Beispiel für nachhaltiges Arbeiten sind, da sie in ihrer Region viele Projekte umsetzen und sich regional stark engagieren. Danach begann der erste Themenblock “Wirtschaftlichkeit & erfolgreiches Marketing”.
Prof. Simone Loose (Hochschule Geisenheim University) präsentierte mit ihrer Analyse spannende Einblicke in den Markt und die Performance von FAIR’N GREEN-Betrieben. Grundsätzlich wurde festgestellt, dass steigende Kosten und geringere Ernteerträge sowie weitere gesellschaftliche Entwicklungen, wie der demografische Wandel und geringere verfügbare Einkommen die Lage für Weinbaubetriebe erschweren. Positiv hervorgehoben wurde, dass FAIR’N GREEN-Betriebe beim Export ihrer Weine einen kleinen Zuwachs verzeichnen konnten.
Im Anschluss beleuchtete Diego Weber (WEIN verkauft!) die betriebswirtschaftliche Perspektive und gab den Teilnehmenden Einblicke und Tipps, wie sie die Wirtschaftlichkeit der eigenen Betriebe besser analysieren und bewerten können. Anhand praxisnaher Beispiele konnte er so zeigen, an welche Hebel welche Wirkung zeigen und so die ökonomischen Ergebnisse einzelner Weine verbessert werden können.
Der dritte Vortrag im Block wurde von Markus Bonsels (Weingut Bibo Runge) gehalten. Er beeindruckte die Anwesenden mit seiner Erfolgsgeschichte zu entalkoholisierten Weinen und der Erschließung neuer Marktsegmente. Er verwies auf ein stetiges Wachstum bei der Nachfrage an entalkoholisierten Weinen und Schaumweinen sowie deren immer besser werdende Qualität. Die alkoholfreien Weine des Weinguts Bibo Runge wurden bereits mehrfach durch verschiedene Fachmagazine wie Falstaff oder Meininger und bei Verkostungen von Mundus Vini und der Süddeutschen Zeitung ausgezeichnet. Markus Bonsels konnte so eindrucksvoll aufzeigen, dass das Thema alkoholfreie Weine sowohl bei den Winzern als auch den Verbrauchern große Beachtung findet. Sein Tipp: Das Weingut sollte einen hochwertigen Grundwein nehmen, die Entalkoholisierung aber nicht selbst sondern von Experten durchführen lassen. Dafür sind spezielle Betriebsstrukturen nötig, die ein normales Weingut in der Regel nicht vorweisen kann.
Nach diesen spannenden Einblicken in die Bereiche Wirtschaftlichkeit, lenkte Paul Truszkowski (Wineadventures GmbH) den Fokus auf das Thema “Nachhaltiges Weinmarketing”. Er gab den Teilnehmenden einige Leitfragen an die Hand, mit denen jeder Betrieb die Positionierung und Außenwahrnehmung seiner Marke analysieren und anpassen kann. Außerdem konnte er zeigen, wie wichtig es ist, nachhaltige Leistungen sichtbar zu machen, getreu dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber.“
Wie wichtig neue Kommunikationsansätze auf Social Media für Weinbaubetriebe sind, zeigte der Influencer & Autor Milton Sidney Curtis in seinem Vortrag “Irgendwas mit Gen Z”. Er beleuchtete die verschiedenen Aspekte, die in der Social Media Kommunikation wichtig sind und brachte das Fachpublikum gleichermaßen zum Lachen und Nachdenken mit seinen Beispielen für die do’s and dont’s zur Kommunikation mit der jungen Generation. Sein Fazit: Bleib du selbst! interagiere mit deiner Zielgruppe
Den Abschluss des Schwerpunktthemas bildete die Paneldiskussion “Wege aus der Krise – Absatz und Wirtschaftlichkeit stärken” mit Paul & Diego sowie Lara Mindnich (Weingut Mindnich) und Rudolf Knickenberg (Schlumberger). Lara Mindnich resümierte, dass Nachhaltigkeit ihrer Meinung nach gerade für die junge Winzergeneration immer wichtiger wird und an Bedeutung zunimmt. Laut Diego Weber wird es in den nächsten 5 Jahren eine stärkere Konzentration auf Weingüter geben, die auf regionale Direktvermarktung setzen, aber auch Big Player, die große Mengen exportieren. Für mittelgroße Weingüter wird es seiner Einschätzung nach eher schwieriger. Paul Truszkowski sieht vor allem einen Trend hin zu neuen Rebsorten, die bisher wenig Beachtung fanden. Seiner Meinung nach rücken diese verstärkt in den Fokus der Weinbaubetriebe und Kunden. Rudolf Knickenberg merkte an, dass insbesondere Umweltkatastrophen wie 2021 im Ahrtal zu einem verstärkten Bewusstsein für Nachhaltigkeit – auch im eigenen Betrieb – führen. Sein Unternehmen hat deshalb das Ziel, seinen CO2-Ausstoß innerhalb der nächsten fünf Jahre signifikant zu senken. Außerdem möchte Schlumberger sich perspektivisch mehr auf exklusive Produkte und neue Marktsegmente wie alkoholfreie Weine fokussieren.
Wissenschaftliche Erkenntnisse: Fachvorträge zu den Bereichen Boden & Wasser
Im zweiten, stärker wissenschaftlich geprägten Teil gab es vertiefende Einblicke in die Bereiche “Umweltfaktoren – Boden & Wasser”. Dr. Mario Kirchhoff (Leitung Forschungsprojekte im Fair and Green e. V.) stellte das Projekt “Mud CarboVino” vor, welches zum Ziel hat, durch Humusaufbau im Weinberg zum Klimaschutz beizutragen. Mit dem Projekt startet ein gemeinsames Vorhaben des Fair and Green e. V., Verband für nachhaltigen Weinbau, und der biologischen Anbauverbände Demeter, Bioland und Naturland. Ziel ist die Entwicklung, Anwendung und Dokumentation von Bestpractice-Beispiele für Humusaufbau und Kohlenstoffspeicherung in Weinbergsböden in drei großen Modellregionen Deutschlands. Das Projekt wird durch Mittel der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) gefördert.
Danach gaben Dr. Manuel Seeger (Universität Trier) und Dr. Collin J. Weber (TU Darmstadt) Einblicke in ihre kürzlich veröffentlichten Studienergebnisse zum Thema “Mikroplastik in Weinbergsböden. Herkunft, Verbleib und Maßnahmen”. Es konnte herausgestellt werden, dass die Bewirtschaftung maßgeblich zum Eintrag von (Mikro)Plastik in Weinbergsböden beiträgt und kein Boden frei von Mikroplastik ist. Als wichtige Maßnahmen zur Reduktion wurde den Betrieben empfohlen, Mitarbeiter, Kunden und Besucher zu sensibilisieren, Plastikprodukte aus den Weinbergen wieder einzusammeln und auf “langlebigere” bzw. recycelte Produkte zurückzugreifen.
Dr. Daniel Heßdörfer (Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau) gab im letzten Vortrag des Tages wichtige Einblicke in das Thema “Nachhaltige Bewässerung im Weinbau”. Durch den Klimawandel steht der Weinbau vor einer Vielzahl an Herausforderungen: Sonnenbrand, Spätfrost und Trockenstress gefährden die Erträge und erschweren somit die wirtschaftliche Planbarkeit für die Weinbaubetriebe. Heßdörfer zeigte, wie anhand digitaler Messungen der Trockenstress der Weinreben bestimmt und wie das Bewässerungsmanagement digital umgesetzt werden kann. Herausforderungen für die Bewässerung in der Zukunft stellt vor allem der Konflikt mit der Bevölkerung dar. Nachhaltige Bewässerungsmethoden, die nur auf Wasser aus Flüssen und nicht auf die Nutzung von Grundwasser setzen, bieten hier einen Ansatz mit großem Potential. Die Zwischenspeicherung des notwendigen Wassers soll optimalerweise im Frühjahr und Herbst stattfinden, um so eine Knappheit im Sommer zu vermeiden. Außerdem verwies er auf die Notwendigkeit eines guten Bodenmanagements. z. B. durch schonende Bearbeitung und eine wechselnde Begrünung. Wenn Böden mehr Wasser aufnehmen können, wird gleichzeitig die Erosion durch Starkregenereignisse verringert, die immer häufiger auftreten. Sein Fazit: Durch minimales Bewässern und gezieltes Bodenmanagement kann auf den Klimawandel reagiert werden. Auch die Kultivierung neuer Rebsorten, die widerstandsfähiger sind, bieten ein Potential für nachhaltigen Weinbau.
Die FAIR’N GREEN Nachhaltigkeitstage schlossen mit einer Diskussion zum Thema “Zukunftssicherheit durch Nachhaltigkeit”. An der Gesprächsrunde nahmen Moritz Warth, Dr. Dominik Durner (Weincampus Neustadt), Dr. Kathleen Mackie-Haas (Agroscope), Dr. Keith Ulrich und Andrea Wirsching (Weingut Hans Wirsching). Alle waren sich einig, dass aufgrund des Klimawandels das Thema Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung gewinnt und die Weingüter in der Bewirtschaftung Verantwortung für nachhaltiges Arbeiten übernehmen müssen.
Der Fair and Green e. V. bedankt sich bei allen Teilnehmenden und Vortragenden für die überaus gelungenen ersten FAIR’N GREEN Nachhaltigkeitstage. Ein besonderer Dank gilt der Weinmanufaktur Stuttgart, in deren Räumlichkeiten wir die Veranstaltung umsetzen duften und die den ganzen Tag sowie die Bewirtung perfekt geplant hat. Wir freuen uns schon auf die nächsten Nachhaltigkeitstage im Jahr 2025.